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Selbstoptimierung vs lustvolles Ich

Rote Gesichter, schwitzen, Schweissränder, kaputte Füsse, nass-fette Haare, im gesamten Saal riecht es nach Mensch und Ausdünstung, der Beat geht tief ins Becken, ich bin glücklich. Ich bin glücklich weil ich mich bewege, und zwar nicht um eine bessere Figur, einen strafferen Body dadurch zu  bekommen, sondern weil das Auspowern mir lustvoll und ausdrucksstark erscheint. In der Gruppe oder alleine meinen Körper in Bewegung bringend, wissend das dadurch das Herz -Kreislauf- System gestärkt wird, Muskeln aufgebaut werden, Gefühle und Zustände sich zeigen und ausdrucken dürfen. Es geht mir sehr gut danach, ich fühle mich wohlig in Körper Seele und an Geist. Wohl wissend das ich auch einige Kalorien verbrannt habe und meine Muskeln geformt, die Faszien gedehnt habe, freue ich mich zu einem ästhetischen Äusseren beigetragen zu haben. Meine Motivation war jedoch die Lust an der Bewegung an sich und nicht das Ergebnis im Aussen. Verkrampft an eine Bewegungsform heranzugehen lässt den Körper nicht wirklich in all seinen Möglichkeiten greifen. Muss und Soll erzeugt Widerstand und Härte, Leistung steht dann im Vordergrund. Die Lust auf Bewegung passiert durchaus bei Konditionierung, wenn Endorphine, vielmehr Cannabinoide  dabei frei werden,gar der "Flow" sich einstellt (auch "Runnershigh") . In solchen Momenten vergessen wir das wir abnehmen wollten, uns fit machen wollten, wir kommen dann einfach in den Genuss des Wohlgefühls. In einer Gesellschaft geprägt von  ständiger Selbstoptimierung können wir in der Bewegung das Loslassen üben. Solange wir keine Profitänzer, Profisportler sind , die selber ständig in ihrem Bereich an dieser Oprimierung arbeiten müssen, weil es ihr Beruf und ihre Aufgabe ist, könnten wir uns doch darin verlieren, uns richtig gehen lassen. Gerade im Bereich der Körperlichkeit, der Bewegung und des Sportes sind die Grenzen der ständigen Selbstoptimierung und des Auspowerns und auszulassen unheimlich verschwommen. "Den Körper beherrschend loszulassen" erscheint zunächst ein Paradoxon. Körperbewusstsein ensteht durch liebevoll und lustvolles Betrachten des Potentials und des Materials "Körper", und nicht weil ich ihn in knallbunte coole Sportklamotten zwänge und "mein Zielt erreichen muss." Nachdem ich meinen Körper als beseeltes wunderbares Ausdrucksmittel anerkenne, kann ich beginnen ihn sanft und wiederholend in Bewegung zu bringen. Dies schafft Bewussein für das was mich ausmacht, entspannt mich gleichzeitig. Selbstoptimierung und Zwang hat somit keinen Platz. Für viele Menschen bedeutet das Streben nach Perfektion alles. Habe ich mich und mein äusseres Erscheinen "im Griff"   so habe ich die Sicherheit einem allgemein gültigen Bild zu entsprechen. Ich bewege mich innerhalb dieses Rahmens aus  Entsprechungen durch Filter, Extensions, Operationen, Lifestyle, dem richtigen Outfit, dem richtigen Status und setzte mich so scheinbar keiner Gefahr des Scheiterns  aus. Wie herrlich ist ein Sommerregen der mein Gesicht mit verlaufender Wimperntusche einfärbt, die zerzausten Haare nach dem aufstehen, die zerstreuten Klamotten nach einer Liebesnacht. Bewegung ist in seiner Ursprünglichkeit pures Chaos. Die beste Form an Bewegung heranzugehen ist die Erwartungslosigkeit. Keinen Anspruch an sich zu stellen um  aus einer freundlich gesinnten beobachtenden Haltung zu agieren macht es uns leichter uns so zu akzeptieren wie wir sind. Gehen wir in diesem Zustand an die Körperarbeit heran können wir uns für alle Eventualitäten öffnen und uns wertfrei durch das Gegenwärtige tragen lassen, die Kalorien schmelzen dabei sowieso von selbst.